G. E. Kreuz: Gaspar Brusch, Iter Anasianum

Cover
Titel
Gaspar Brusch, Iter Anasianum. Ein Spazierritt durch Oberösterreich 1552


Autor(en)
Kreuz, Gottfried Eugen
Reihe
Wiener Studien, Beihefte 31 / Arbeiten zur Mittel- und Neulateinischen Philologie 9
Erschienen
Wien 2008: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Anzahl Seiten
146 S.
Preis
URL
von
Michele C. Ferrari

Ein junger Mann steigt aufs Pferd und reitet von Linz nach Ennes und zurück. Er sucht u.a. ein Nonnenkloster auf und redet sich in Rage über die Verlogenheit und sexuelle Freizügigkeit der Insassen (obwohl er höchstwahrscheinlich kaum Zutritt zum Kloster Pulgarn bekam, um das es geht). Wen soll das interessieren? Philologen, z.B., wenn sie sich mit dem Humanisten Caspar (Gaspar) Brusch (1518 – ermordet 1557) und dessen dichterischer Beschreibung jenes «Spazierrittes» beschäftigen, aber auch viele andere Leser, die das 16. Jahrhudert näher kennen lernen möchten. Die 205 Hexameter des Iter Anasianum («Ausflug nach Enns»), die über eine komplizierte Überlieferungsgeschichte verfügen werden von Gottfried Eugen Kreuz ediert, übersetzt (52–62 bzw. 62–66) und ausführlich kommentiert (67–116). Man könnte sich fragen: ob sich die Mühe lohnt, soviel Seiten so wenigen Versen zu widmen. Die Antwort auf diese Frage muss doppelt positiv ausfallen. Zum einen hält der Leser dieser Arbeit eine grundgelehrte Publikation in den Händen, in der alle Register der philologischen und historischen Disziplinen gezogen werden, um einen fundierten Zugang zu einem Text aus der Mitte des 16. Jahrhunderts zu ermöglichen. Zum anderen macht Kreuz zu Recht auf die Gestalt des Bruschius aufmerksam, dessen Leben und Werk nur wenige Studien gewidmet sind. Der im damaligen Königreich Böhmen geboren Bruschius gehört jener Generation von gut ausgebildeten Intellektuellen an, welche nicht mehr um den Humanismus kämpfen musste, sondern die definitive, auch institutionelle Verfestigung humanistischer Ideale erlebte. Einige kamen in Schulen und Universitäten unter und genossen dort ihre Pfründen; Leute wie Bruschius oder Caspar Stiblin mussten sich unter tausend Schwierigkeiten durchschlagen. Der Protestant Bruschius wurde zwar vom Papst mit der Würde eines comes platinus geehrt und erlangte gar 1541 die Dichterkrone, die ihm Kaiser Karl V. in Regensburg aushändigte; er führte jedoch ein unsicheres und unstetes Leben mit Schwerpunkt in Süddeutschland und der Schweiz (Beat Rudolf Jenny hat seine Beziehungen zur Schweiz ausführlich behandelt), biederte sich an bei Äbten, Fürsten und Reformatoren zugleich, verwickelte sich in zwielichtige Geschäfte – und schrieb unaufhörlich lateinische Verse. Es ist erfrischend, wie Kreuz mit seinem Helden umgeht. Ironisch distanziert, verfällt er nicht der Versuchung, aus Bruschius einen glanzvollen Helden der studia humanitatis seiner Zeit zu machen. Er stellt ihn als einen Journalisten ante litteram dar, der das Lob dessen singt, der ihn gerade ernährt – egal, ob er katholischer Kirchenfürst oder räuberischer Adliger ist (zu den interessantesten Teilen dieser Publikation gehört die Darstellung der propagandistischen Tätigkeit des Bruschius für den berüchtigten Markgrafen Albrecht Alcibiades). Kreuz entwirft somit auch ein buntes Panorama der Zeit. Das ist nicht das geringste Verdienst dieser ausgezeichneten Publikation.

Zitierweise:
Michele C. Ferrari: Rezension zu: Gottfried Eugen Kreuz, Gaspar Brusch, Iter Anasianum. Ein Spazierritt durch Oberösterreich 1552, Wien, Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2008. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 105, 2011, S. 548-549.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in
Weitere Informationen
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit